Veröffentlicht: 09/09/2025

Gewährleistung im Gewerbebau: Fristen, Mängel, Abnahme

Investoren und Bauträger bewegen Projekte in engen Zeit- und Budgetrahmen. Spätestens beim Übergang von Bau zu Betrieb entscheidet die Gewährleistung, ob Ihr Cashflow stabil bleibt oder ob ungeplante Kosten, Streit und Verzögerungen einziehen. Dieser Leitfaden bündelt die Punkte, die in der Praxis wirklich zählen – von Abnahme und Dokumentation über Fristen bis zum Mängelmanagement im Betrieb.

Abnahme: der Startschuss für die Gewährleistung

Die Abnahme ist der Moment, in dem Sie das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß akzeptieren – danach drehen sich Beweislast, Risiken und es starten (meist) die Verjährungsfristen. Rechtlich ist der Besteller zur Abnahme verpflichtet; unwesentliche Mängel berechtigen nicht zur Verweigerung. Außerdem kann eine „fiktive Abnahme“ eintreten, wenn der Unternehmer eine Frist setzt und keine konkreten Mängel benannt werden.

Praktisch gut gelöst

  • Formalisieren Sie die Abnahme: Termin, Teilnehmer, Leistungsstand, Restmängel, Fristen – alles ins Protokoll, mit Fotos.

  • Klarheit zu Teilabnahmen: Bei komplexen Projekten (TGA, GA, Ausbaupakete) können Teilabnahmen sinnvoll sein, um Leistungen sauber zu trennen.

  • Übergang zum Betrieb: Prüflisten, Wartungspläne, Bedienungsanleitungen und Gewährleistungsbürgschaften an die Verwaltung übergeben. Für einen sauberen Betrieb: Technische Verwaltung und Reporting

Fristen & Verjährung: BGB vs. VOB/B – was gilt?

Ob BGB oder VOB/B gilt, bestimmen Sie im Vertrag – und die Unterschiede sind materiell:

  • BGB (ohne VOB/B-Vereinbarung): Mängelansprüche verjähren bei Bauwerken in 5 Jahren ab Abnahme, bei Planungs-/Überwachungsleistungen für ein Bauwerk ebenfalls 5 Jahre; weitere Werkleistungen i. d. R. 2 bzw. 3 Jahre.

  • VOB/B (wenn wirksam vereinbart): Für Bauwerke 4 Jahre, für andere Werke 2 Jahre; spezielle Ausnahmen (z. B. industrielle Feuerungsanlagen) 1 Jahr.

  • Arglist: Wird ein Mangel arglistig verschwiegen, greifen die allgemeinen Regeln – 3 Jahre ab Kenntnis, längstens eine absolute 10-Jahres-Frist (kenntnisunabhängig).

Praxis-Tipp

  • Wählen Sie die Vertragsbasis bewusst (BGB vs. VOB/B) und spiegeln Sie das in Ihren Capex- und Risikoannahmen.

  • Verjährung beginnt regelmäßig mit Abnahme – ohne Abnahme kann sie u. U. „fiktiv“ eintreten oder nach Rechtsprechung erst später anlaufen.

Der Mangel: erkennen, kategorisieren, beweisen

Nicht jeder Fehler ist ein Gewährleistungsmangel. Entscheidend ist die Soll-Ist-Abweichung vom Vertrag/Leistungsverzeichnis, den anerkannten Regeln der Technik und genehmigten Planungen.

Schneller Praxisrahmen

  • Offen vs. verdeckt: Offene Mängel dokumentieren Sie bei Abnahme; verdeckte Mängel tauchen später auf – Fristen laufen dennoch ab Abnahme.

  • Wesentlich vs. unwesentlich: Unwesentliche Mängel erlauben die Abnahme, bleiben aber zu beseitigen.

  • Symptom melden, Ursache prüfen: In der Rüge das Symptom sauber beschreiben (Ort, Zeitpunkt, Auswirkung); die Ursache klärt der Unternehmer bzw. das Gutachten.

Für die spätere Auseinandersetzung sind Beweise Gold wert: Protokolle, Fotodokumentation, Messwerte, Daten aus dem Betrieb (Störungsjournal, Wartungsberichte). Das läuft am besten über digitale Routinen: Reporting und Technische Verwaltung

Rechte bei Mängeln: Ihre Handlungsoptionen

Je nach Vertrag (BGB/VOB/B) stehen Ihnen insbesondere zu:

  • Nacherfüllung: Beseitigung oder Neuherstellung, Fristsetzung mit Nachdruck.

  • Selbstvornahme: Nach fruchtloser Frist – Mangel auf eigene Rechnung beseitigen und Ersatz verlangen.

  • Minderung/Schadensersatz: Bei Scheitern der Nacherfüllung bzw. bei Schäden durch den Mangel.

  • Sicherheiten ziehen: Sicherheitseinbehalt oder Gewährleistungsbürgschaft verwerten, wenn Voraussetzungen vorliegen.

Dokumentieren Sie Fristen, Reaktionen und Ergebnisse diszipliniert. Wenn es hakt: Kaufmännische Verwaltung sorgt für Fristenkontrolle und Belegführung.

Vertrag & Governance: Gewährleistung „planbar“ machen

Gut verhandelt ist halb gewonnen – schon vor Baubeginn.

  • Vertragsgrundlage: Entscheidung für BGB oder VOB/B und eindeutige Einbeziehung/Abweichungen schriftlich festhalten. Hintergrund: Vertragsfreiheit im Gewerbemietrecht (übertragbares Prinzip: klare Regeln schlagen Gewohnheiten).

  • Abnahmeverfahren: Zuständigkeiten, Protokollstruktur, Foto-/Video-Standard, Teilabnahmen und Inbetriebnahmen definieren.

  • Mängelmanagement: Ticket-Workflow, Reaktionszeiten (SLA), Prüfkalender, Schnittstellen zu Betreiberpflichten und Dokumentation – das reduziert Streit. Siehe Betreiberpflichten in der Gewerbeimmobilie

  • Sicherheiten: Höhe und Form von Sicherheitseinbehalt/Gewährleistungsbürgschaft, Rückgaberegeln nach Fristablauf.

Betrieb & Gewährleistung: so greifen OPEX, Prüfpflichten und Daten ineinander

Nach Einzug ist Gewährleistung kein „juristisches Sonderthema“, sondern täglicher Betrieb:

  • Störungen → Ticket → Ursache: Jede Störung wird zum Datensatz. Wiederkehrende Muster deuten auf systemische Mängel hin.

  • Wartungen & Prüfungen: Fristen gemäß Herstellervorgaben und Regelwerken halten; Nicht-Einhaltung kann Gewährleistungsansprüche gefährden.

  • Kosten im Blick: Mehrverbräuche oder Ausfälle schlagen in die Nebenkosten. Gute Transparenz hilft bei Umlage und bei regressfähigen Schäden. Zum Kostenrahmen: Betriebskosten bei Gewerbeimmobilien und Betriebskostenumlage im Gewerbe

Exit & Haftung: was beim Verkauf wichtig wird

Bei Transaktionen zählen Datenraum-Qualität und Gewährleistungsstatus. Offene Mängel, unklare Abnahmesituation oder ungesicherte Restansprüche drücken Kaufpreise und verlängern Due-Diligence-Prozesse. Wer sauber dokumentiert, kann Risiken bepreisen statt sie zu „erklären“. Für den sauberen Verkaufsprozess: Gewerbeimmobilie verkaufen – Leitfaden und Gewerbeimmobilie: Verkauf vorbereiten

Checkliste: 12 Punkte für Investoren & Bauträger

  1. Vertragsbasis (BGB/VOB/B) eindeutig vereinbart und im Projektteam bekannt?

  2. Abnahmekonzept mit Teilabnahmen, Protokollen, Fotostandard und Verantwortlichen definiert?

  3. Sicherheitskonzept (Einbehalt/Bürgschaft) im Vertrag sauber geregelt?

  4. Datenfluss geklärt: Ticketsystem, Reporting-Dashboards, digitale Akte? → Reporting

  5. Wartungs- und Prüfkalender eingestellt, inkl. Nachweispflichten? → Technische Verwaltung

  6. Mängelrüge-Templates, Fristbausteine und Eskalationsstufen vorbereitet?

  7. Beweisstrategie festgelegt (Fotos, Messwerte, unabhängige Prüfungen)?

  8. Klare Regeln zur Selbstvornahme inkl. Kostenfreigaben?

  9. Schnittstellen Mieter/Dienstleister in Betriebshandbuch beschrieben?

  10. Gewährleistungsfristen im Kalender mit Vorwarnungen hinterlegt (12/6/3 Monate)?

  11. Restmängelberichte quartalsweise – mit Status und Verantwortlichen?

  12. Für den Exit: Datenraum mit Abnahme-/Mängel-/Kostenhistorie aufgebaut?

FAQ

Welche Gewährleistungsfristen gelten typischerweise im Gewerbebau?

Nach BGB verjähren Mängelansprüche bei Bauwerken in 5 Jahren ab Abnahme, bei Planungs-/Überwachungsleistungen für ein Bauwerk ebenfalls in 5 Jahren. Wenn die VOB/B wirksam vereinbart ist, gelten regelmäßig 4 Jahre (Bauwerke) bzw. 2 Jahre (andere Werke), mit einzelnen Ausnahmen.

Ab wann laufen die Fristen?

In der Regel ab Abnahme. Die Abnahme kann auch „fiktiv“ eintreten, wenn auf eine Aufforderung zur Abnahme nicht rechtzeitig und mit konkreter Mängelbenennung reagiert wird.

Was gilt bei arglistig verschwiegenen Mängeln?

Dann greift die dreijährige Regelverjährung ab Kenntnis; unabhängig davon läuft eine absolute Höchstfrist von zehn Jahren. Beides kann schlagend werden – entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.

Wie sichere ich mich in der Abnahme?

Mit einem strukturierten Abnahmeprotokoll (Leistungen, Restmängel, Fristen), Fotodokumentation, Mess-/Prüfprotokollen und klaren Verantwortlichkeiten. Die spätere Verwaltung braucht vollständige Unterlagen: Kaufmännische Verwaltung · Technische Verwaltung

Was, wenn der Unternehmer nicht reagiert?

Frist setzen, nachhalten, dokumentieren. Nächster Schritt kann die Selbstvornahme sein – sinnvoll mit vorab geklärter Kosten- und Freigabelogik. Für das Monitoring: Reporting

PROREALES: Gewährleistung ohne Blindflug

Wir verbinden Bau- und Betriebslogik: klare Abnahmen, saubere Akten, verlässliche Fristensteuerung und ein Reporting, das Mängel sichtbar macht. So bleibt Ihr Objekt wirtschaftlich – und Sie handlungsfähig.
Mehr Einblicke: Leistungen · PROREALES – Hausverwaltung · Eigentümer & Investoren · Bauträger · Ratgeber · Portfolio

Autor: Jan-Niklas Carl

Jan-Niklas Carl ist Geschäftsführer der PROREALES Management GmbH in Hamburg – spezialisiert auf die Verwaltung und wirtschaftliche Optimierung von Gewerbeimmobilien. Als geprüfter Immobilienfachwirt (IHK) und ausgebildeter Immobilienkaufmann vereint er operative Erfahrung mit strategischem Blick. Seine Expertise liegt in der strukturierten Steuerung komplexer Immobilienbestände – mit digitalen Prozessen, rechtlicher Klarheit und wirtschaftlicher Präzision. Wer Gewerbeimmobilien effizient, transparent und zukunftsorientiert verwalten will, findet in ihm einen Partner mit Weitblick und Haltung.

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